15.01.2009

Peter Bodenmann über Sawiris‘ Extrawürste

Am 14. Januar 2009 ist ein würziger Kommentar zum Sawiris-Projekt in der Rubrik «Debatte» der Mittellandzeitung erschienen. Er stammt aus der spitzen Feder des ehemaligen SP-Präsidenten und heutigen Walliser Hoteliers Peter Bodenmann. Ein gedankenanregender Lesegenuss, den ich den Blogleserinnen und -lesern nicht vorenthalten möchte. Originaltext aus der Mittellandzeitung: « Niemand bekam so viele Extrawürste» Der ehemalige SP-Präsident und heutige Walliser Hotelier Peter Bodenmann schaltete sich im Magazin «L’Hebdo» in die Diskussion über Samih Sawiris (die MZ berichtete) ein. Hier sein offener Brief: Sehr geehrter Herr Sawiris, Sie sind ein Kopte. Kopten sind wie Juden eine Minderheit. Und haben als Volk in Ägypten nur überlebt, weil sie beweglicher waren als andere. Wer sich bewegt, wer sich bewegen muss, wird besser als die Mehrheit. Schon daher sind Sie sympathisch. Sie sind als Person auch gewinnend. Für Sie arbeiten in der Schweiz der Ex-Trotzkist Franz Egle und neu der ehemalige Direktor des Bundesamts für Zivilluftfahrt, Raymond Cron. Ein Mann, der auch etwas vom Schweizer Baugewerbe versteht. Im ‹Tages-Anzeiger› beschwerten Sie sich kurz nach Weihnachten über die Schweizer Demokratie: ‹Wenn ich gewusst hätte, was auf mich zukommen und wie viele Nerven mich das kosten würde, hätte ich es wohl nicht gewagt.› Die Schweiz sei ‹überdemokratisiert und muss aufpassen, dass die Demokratie nicht entgleist›. Gleichzeitig loben Sie aufgeklärte Diktaturen, die oft effizienter seien als Demokratien. Auf den ersten Blick mögen Sie recht haben. Unter Stalin hat sich die Sowjetunion schneller industrialisiert als jedes andere Land seiner Zeit. In den Arabischen Emiraten schiessen die Hotel-, Wohn- und Bürotürme in den Himmel. Und China ist inzwischen die Werkbank der Welt. Auf den zweiten Blick wird klar: Die Sowjetunion implodierte, gerade weil sie keine Widersprüche und keine Demokratie zuliess. Der Reichtum der Emirate beruht auf der brutalen Ausbeutung rechtloser ausländischer Arbeitskräfte. Auf Dauer werden sie sich dies nicht gefallen lassen. Und wie lange in China Bürokraten die Bauern und Arbeiter zu Hungerlöhnen für die neuen Millionäre arbeiten lassen können, ist eine offene Frage. Aufgeregt über Ihre im Kern demokratiefeindlichen Äusserungen hat sich nur der SP-Nationalrat Andreas Gross. Das spricht gegen die Schweiz und für Sie. Kehren wir zurück in den Kanton Uri. Sie haben das Bauland in Andermatt faktisch geschenkt bekommen. Und erst noch durch den Bundesrat die Ausnahmebewilligung erhalten, restlos alle Wohnungen an Ausländer verkaufen zu können. Im Wallis waren ihre Berufskollegen stocksauer. Sie mussten laufend das Gesetz biegen, um Ferienwohnungen an Londoner Banker zu verkaufen. Über 1000 Verkäufe konnten die Walliser Immobilienhändler bis heute nicht im Grundbuch eintragen. Warum ausgerechnet ein Ägypter anders behandelt wird, geht diesen Wallisern bis heute nicht in den Kopf. Die Urner ihrerseits planten und zonten schneller ein, als sie sonst nachdenken. Und selbst die Matterhorn-Gotthard-Bahn plante vorsorglich für ihre Sawiris-City in den Alpen einen Bahnhof. Niemand in der Schweiz bekam je so viele Extrawürste. Mein Freund Art Furrer hat als Instruktor der Schweizer Armee Hunderte von Diensttagen in Andermatt verbracht. Für diesen Sohn der Berge ist klar: Andermatt ist ein kaltes Windloch. Wer nicht muss, verbringt dort keine Ferien. Vielleicht irrt sich Art Furrer und vielleicht auch nicht. Sicher ist: Vor der Finanzkrise hätten Sie ihre Andermatter Ferienwohnungen verkauft wie warme Weggli. Heute sieht alles leicht anders aus. Selbst in Zermatt sind Ferienwohnungen plötzlich wieder zu kaufen. Sie bauen nur, wenn sie 70 bis 80 Prozent eines Projektes an Dritte verkauft haben. Noch ist es in Andermatt nicht so weit. Noch gehen Sie davon aus, dass dies in Andermatt gelingen wird. Vieles wird davon abhängen, wie tief die laufende Krise des Kapitalismus jene trifft, die in guten Zeiten selbst in Andermatt eine Million teure Wohnung kaufen würden. Nur um eines ihrer weltweit drei bis vier Ferien-Nester in der reichen Schweiz zu haben. Viele erinnert Ihr Auftauchen in Andermatt etwas an den ‹Besuch der alten Dame› von Friedrich Dürrenmatt. Andere stellen sich die Frage: Schimpft Sawiris nur deshalb auf die Schweizer Demokratie, weil er für den Fall des Scheiterns des Projektes rechtzeitig einen Sündenbock sucht? Sie werden diese Frage nicht beantworten. Die Zeit wird es tun. »

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Wie immer treffend, der Peter Bodenmann. Der Vergleich mit dem "Besuch der alten Dame" könnte zutreffender nicht sein. Kürzlich habe ich gehört, dass die Gegner des Sawiris-Projektes Zulauf erhalten haben. Und unter den Beführwortern sollen sich ob der Wirtschaftskrise die Zweifel mehren, ob das Resort wirklich gebaut werde. Zudem behaupten böse Zungen, dass die damals offene Abstimmung über das Resort nicht einen zu hohen Druck bei der Bevölkerung gesorgt habe. Was soll man dazu sagen. Ich habe das damals beobachtet. Bei der Abstimmung darüber, ob offen oder geheim abgestimmt werden sollen, streckten nur ein paar wenige Teilnhmerinnen und Teilnehmer ihre Hände für eine geheime Abstimmung in die Höhe...